Biologische Klimaanlagen für mehr städtische Lebensqualität

Die Moosmaschine - Gartenheim entwickelt weltweit einzigartiges vertikales Begrünungssystem

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Einleitung

Die Begrünung der Großstädte zählt zu den Zukunftsthemen unserer Zeit. Weltweit arbeiten Stadtplaner und Architekten an der Umsetzung ihrer grünen Visionen von bewaldeten Hochhäusern und vertikalen Gärten inmitten der Innenstädte. Die Frage lautet dabei allerorten: Wie lassen sich Pflanzen dekorativ in Bauprojekte einbeziehen, um architektonisch und ökologisch einen Mehrwert für die Gesellschaft zu erzielen?

Während die wenigsten Modelle in unseren Breitengraden zu einer langfristig erfolgreich funktionierenden Umsetzung gelangen, wurde bei der Wohnungsgenossenschaft Gartenheim eine Moosmaschinen-Serie mit patentiertem Bewässerungssystem entwickelt, welche sich bereits im mehrjährigen Praxistest an verschiedenen Standorten in Hannover bewährt hat und in ihrer Art weltweit einzigartig ist.

Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich das Unternehmen mit der Entwicklung vertikaler Begrünungssysteme, um den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen und die hannoversche Wohnungswirtschaft mit innovativen Lösungen zu bereichern.

Von der Vision zur Umsetzung

Das Ziel der über 10-jährigen Entwicklung bestand darin, ein flexibles Bewässerungssystem für Moosmatten zu entwickeln, das in Alt- und Neubaufassaden integriert werden kann oder auch als solitäres Gestaltungselement im urbanen Umfeld in Erscheinung treten kann. Nach intensiver Forschung und fachlichem Austausch mit Biologen wurde ein universelles, modular aufgebautes Vertikalbewässerungssystem für Moosmatten entwickelt. Dabei setzt Gartenheim auf pflegeleichte, saftig grüne Moose, die sich aufgrund ihrer Vorliebe für saure Umgebungen besonders gut für den städtischen Raum eignen.

Warum Moos?

Die Vorteile von Moosflächen in der vertikalen Gebäudeebene liegen in der optischen Einzigartigkeit und angenehmen Wahrnehmung sowie im mikroklimatischen Nutzen für die Gebäudeumgebung und einer sinnvollen Regenwassernutzung. Die Sporen-Pflanzen binden Feinstaubpartikel, absorbieren diverse Luftschadstoffe, verbessern die allgemeine Luftbefindlichkeit, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und wirken durch die Wasserverdunstung kühlend.

Darüber hinaus erwiesen sich Moose als die einzigen wurzelfreien Landpflanzen, die ganzjährige Temperaturschwankungen von über 50-60° Celsius unbeschadet überstehen können und keinen Laubfall wie bei anderen Blattpflanzen kennen. Im Gegensatz zu Bodenpflanzen, die in der vertikalen Gebäudeebene ohne tiefes Wurzelwerk bei langen und harten Minustemperaturen nicht überleben können, sind Moose in der Lage, sich großen Wetterschwankungen und Extremsituationen relativ gut anpassen zu können.

Einzigartiges Vertikalbegrünungssystem

Als große Herausforderung bei der Pflege vertikaler Begrünung erweist sich indes immer wieder die Bewässerung. Moose haben keine Wurzeln, über die sie das benötigte Wasser aus dem Untergrund ziehen könnten, sondern verfügen lediglich über kleine Zellfäden, sogenannte Rhizoide, mit denen sie sich an beliebigen Untergründen festhalten können. Die für die eigene Existenz notwendige Feuchtigkeit entziehen sie bei bestimmten Wetterkonstellationen entweder der Umgebungsluftfeuchte, oder sie nehmen mit Hilfe ihrer schwammartigen Polsterstrukturen gesammeltes Regen- und Tauwasser direkt in die Zellen durch Osmose auf.

Für die Wasserversorgung von Moosflächen in vertikaler Ebene bedeutet dies, dass die Bewässerung nur frontal erfolgen kann. Die „Moosmaschine" von Gartenheim ist das bislang einzige System, das eine gleichmäßige Frontalbewässerung großer Flächen ermöglicht, so dass die Moose auch in der künstlichen Vertikalebene optimale Lebensbedingungen vorfinden. Die „British Bryological Society“ listete die hannoversche Erfindung daher als eines der weltweit interessantesten Moosprojekte. 

Grüne Überlebenskünstler

Moose in Form von industriell gezüchteten Moosmatten können auf Flachdächern ohne weitere Bewirtschaftung und Bewässerung sehr lange Zeit überleben. In den heißen Sommermonaten retten sich Moose durch den Überlebensmechanismus des Trockenzustandes, gewissermaßen eine Trockenstarre, vor potenziellen Zellschädigungen, die durch Verdampfungseffekte bei hohen Temperaturen hervorgerufen werden können. Das Moos tritt hier in eine Phase der biologischen Inaktivität ein, was man an seiner unattraktiven braungelben Farbe erkennen kann. Sobald die Umgebungstemperatur für das Moos wieder im Normbereich liegt (ca. 3 – 26°) und genügend Feuchtigkeit auf die Pflanze gelangt, wechselt die Farbe wieder hin bis zum sogenannten Saftgrün. Moose können trotz natürlicher oder technischer Bewässerung auf Dauer nicht immer einen farblich optimalen Zustand jahresübergreifend halten, eine gewisse optische Schwankungsbreite liegt in der Sache der Natur.

Zur Funktion der Moosmaschine

Und so funktioniert das Prinzip der patentierten Idee der Vertikalbegrünungsanlage: Die Hauptcharakteristik der Moosmaschine liegt in der Frontalbewässerung der Moosmatten, die sich aus einer um 90 Grad gedrehten natürlichen Beregnungssituation ergeben würde. Ein beweglicher Bewässerungsbügel fährt die Moosfläche nicht nur gleichmäßig herauf und herunter, sondern schüttelt sich in der gleitenden Bewegung auch noch leicht, um zu gewährleisten, dass tatsächlich jeder einzelne Punkt mit Wasser versorgt wird. Damit erfolgt eine absolut gleichmäßige Bewässerung der Moose bis an die natürliche Sättigungsgrenze, so dass kaum überschüssiges Wasser verloren geht und außerhalb des kontrollierten Bewässerungsprozesses kein Wasserkontakt mit dem Bauwerk stattfindet.

Dies erfordert zwar einen hohen technischen Aufwand, ist aber in Bezug auf das angestrebte Ergebnis ohne realistische Alternativen. Vergleichbare Ansätze, Moosmatten aus der hinteren Ebene mit direkter Feuchtigkeit bzw. über kapillargesteuerte Wasserreservoire zu versorgen, zeigen hier deutliche Systemnachteile.

Ein Beregnungsvorhang sorgt für saftiges Moos

Das Herzstück der Moosmaschine ist eine kammartige Wasserstrahl-Rohrdüse, die eine Länge von knapp 2 m hat. Durch 250 kleine Düsenbohrungen, die wegen des zu vermeidenden horizontalen Bernoulli-Effektes unterschiedliche Durchmesser haben, wird ein konstanter Beregnungsvorhang erzeugt. Damit auch die entstehenden Zwischenräume optimal bewässert werden können, wird das Düsenrohr in eine schnelle mechanische horizontale Oszillation versetzt. Darüber hinaus sind in der Steuerung diverse elektromechanische Regelmechanismen umgesetzt worden, die auf einer Höhenebene von bis zu 6 m eine gleichmäßige Bewässerung gewährleisten.

Alles nass! - Das Beregnungsprinzip der Moosmaschine M2